Paul Bosse und die Paul-Gerhardt-Stiftung

Zwangssterilisation - Fälschung statt Beleg


    Das Thema der Zwangssterilisationen im Paul-Gerhardt-Stift muss für die Stiftung eine besondere Bedeutung besitzen. Anders ist ihr Verhalten nicht zu verstehen. Um Paul Bosse als eigenhändig Beteiligten hinstellen zu können, 'belegt' dies ihr Historiker Bräutigam mit Hilfe eines gefälschten Operationsbuchs.

     Wir hatten 2015 noch geschrieben: Zwangssterilisationen im Paul-Gerhardt-Stift – ein noch unbearbeitetes Feld – werden ab Mitte des Jahres 1934 ausgeführt. Insgesamt seien etwa 300 Männer sterilisiert worden. In Böhmer (1988) [2009] werden als zur Sterilisation Berechtigte die Chirurgen Bosse und Korth [Paul Bosses Nachfolger ab 1.1.1936] angegeben. Für Korth existiert eine Selbstauskunft an den Oberpräsidenten in Merseburg über die Anzahl der vorgenommenen Zwangssterilisationen, eine solche liegt bei Paul Bosse trotz einer persönlichen Aufforderung von Harmsen [Centralausschuss der Inneren Mission] nicht vor. Böhmer legt nahe, sowohl der von uns wie der von der Stiftung beauftragte Historiker [Bräutigam] kommen trotz Unstimmigkeiten zum Schluss, dass Paul Bosse zwangssterilisiert habe. Ob er oder sein Oberarzt dies tatsächlich in den Jahren 1934/35 machten, kann mit Sicherheit erst nach Sichtung der Operationsbücher oder der entsprechenden, möglicherweise noch vorhandenen Unterlagen des Erbgesundheitsgerichtes Torgau beurteilt werden. Die Auseinandersetzungen um die praktische Umsetzung des Gesetzes, von der Böhmer berichtet und die nach ihm letztlich auch zur Ersetzung der Diakonissenschwestern geführt haben soll, sind eng miteinander verwoben und sind möglicherweise Gegenstand der "Verhandlungen im kleinen Kreis“ vor dem 18.4.1934, über die keine Dokumente vorliegen.
     Man muss vermuten, dass Paul Bosse als hierzu ermächtigter Chirurg Zwangssterilisationen durchgeführt hat. Es würde überraschen, wenn er als „jüdisch versippter“ Arzt, rechtlich ohnehin am Rande der Gesellschaft, sich dem Druck seines Arbeitgebers widersetzen wollte. Zudem gab es in der damaligen Ärzteschaft eine breite Zustimmung zu eugenischen Maßnahmen, die teilweise bis hin zu Zwangssterilisationen reichte – ein Widerspruch zum ärztlichen Ethos wurde darin nicht gesehen. Dessen ungeachtet gibt es bisher kein beweisendes Dokument für Paul Bosses Beteiligung an Zwangssterilisationen. ... Das Fehlen der Operationsbücher 1934/35, die zweifelsfrei Paul Bosses Beteiligung an der Zwangssterilisation beweisen könnte, gibt Rätsel auf.
1)

      Die Unvollständigkeit der ansonsten seit 1912 lückenlos vorhandenen Operationsbücher, auf die uns Bräutigam 2013 selbst hingewiesen hatte – eine Bemerkung, die er später nicht wiederholt –, wird notdürftig in seinem Buch kaschiert, indem er von Operationsaufzeichnungen vom 7.9.1933–1.11.1935 redet, die nicht in der „Verfügungsgewalt“ der Paul-Gerhardt-Stiftung und somit ihm nicht zugänglich seien. Dies sind die fehlenden Operationsbücher 1934/35.
     Wann das Operationsbuch, nach dem Paul Bosse in seinen beiden letzten Dienstmonaten sechzehnmal eigenhändig Zwangssterilisationen ausgeführt haben soll und das die ganze Last der Bräutigamschen Beweisführung trägt, gefälscht worden ist, ist unklar, ließe sich jedoch leicht nachweisen. Soviel läßt sich jedoch jetzt schon sagen, daß es bei der bestehenden Unklarheit, ob Paul Bosse zwangssterilisiert habe, der Paul-Gerhardt-Stiftung so wichtig ist, ihrem Historiker – wissentlich oder unwissentlich – gefälschte Beweise 2) vorzulegen, dass dieser die Zwangssterilisationstätigkeit von Paul Bosse in den beiden letzten Dienstmonaten mit Sicherheit feststellen kann. 3) Nirgendwo wie hier wird die tatsächliche Einstellung der PGStung zu ihrem ehemaligen Chefarzt erkennbar.


1) Detlev und Ute Stummeyer, Paul Bosse. Seine Klinik in Wittenberg. Unerwünschte Wahrheitssuche, Norderstedt 2015, S. 82/83
2) In der von der PGStung verfaßten Verschwiegenheitsverpflichtung, die bei der Einsichtsnahme in das Operationsbuch vom 2.11.1935–19.2.1937 zu unterschreiben ist, heißt es: „...Von Interesse sind hier die Vermerke, die die Beteiligung von Dr. Bosse an Zwangssterilisierungen (02.11.–31.12.1935) belegen....“ Die PGStung 'kämpft' darum, sagen zu dürfen, dass ihr ehemaliger Chefarzt zwangssterilisiert hat.
3) Die genaue Beweisführung, die das vorgelegte Operationsbuch vom 2.11.1935–19.2.1937 (Helmut Bräutigam, Heilen und Unheil, S. 89) als Fälschung erkennbar macht, ist hier nachzulesen.


neu am 14.03.2018
URL:
www.paul-und-kaete-bosse.de/pkb-pgst/pkb_pgst_zwangssterilisation.html

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